Erstmalig besuchte eine Klasse der BBS Burgdorf die Einrichtungen von VW Motorsport in Hannover in der Ikarusallee. Das Team mit einem halben Jahrhundert Geschichte und anhaltendem Erfolg fiel alleine in den letzten Jahren durch spektakuläre Siege der Rallye Dakar auf und errang zahlreiche Renn- und Saisonsiege in verschiedenen Rallyeserien mit den Modellen Polo, Golf und Touareg.

Hier herrscht höchste Geheimhaltung, das Fotografieren ist streng verboten und wir mussten unsere Handys entweder abgeben oder bekamen die Linsen mit Stickern überklebt. Eine Verschwiegenheitserklärung soll absichern, dass wir keine wichtigen Details über das Design an die Konkurrenz weitergeben.

Begrüßt und begleitet wurden wir von Herrn Gottwald, der uns über das Gelände und durch die verschiedenen Abteilungen führte. In der Werkstatt wurde uns durch Herrn Arneke der Polo R WRC vorgestellt und wir bekamen einen Einblick über den Aufbau und die Produktion eines Rallyeautos. Unterstützt von vielen spannenden Anekdoten wurde immer deutlicher, auf wie viele Details bei der Konstruktion und beim Zusammenbau geachtet werden muss. So lässt sich das Getriebe des Polo in weniger als neun Minuten wechseln. Die Scheinwerfer sahen auf den ersten Blick aus wie beim Serienmodell, lassen sich jedoch eindrücken und bestehen aus weichem Plastik, um wertvolle Kilogramm und damit Zeit zu sparen. Die Verkleidung des Autos besteht aus handgefertigter Kohlefaser und selbst das Bordwerkzeug wird von VW Motorsport selbst hergestellt. Dies ermöglicht den beiden Piloten einen beschädigten Reifen ohne weitere Hilfe in nur 90 Sekunden wechseln können.

Beeindruckt von der Werkstatt führte uns Herr Gottwald nun an den Ort, der uns zu VW Motorsport geführt hatte: Die Logistik. Im Rennsport zählt jede Sekunde, sowohl auf, als auch abseits der Strecke. Damit das Team nicht in Rückstand gerät, planen die erfahrenen Profis hier jeden Ausflug zu einem Rennen bis ins kleinste Detail. Herr Meyer und Herr Rudorf aus den Bereichen Logistik und Versand führten uns durch die Hallen und stellten uns ihre Exponate vor. Sie beantworteten viele Fragen und standen uns jederzeit zur Verfügung.

Die Wagen und das Material werden, so lange es geht, vorbereitet, um die beste Leistung erzielen zu können. Da darf beim Transport nichts hängen bleiben. Rechtzeitig muss alles für den Zoll bereitstehen, dann geht es in eigens umgebauten Luftfrachtcontainern los. Von außen sieht nur das geschulte Auge den Unterschied zu den normalen Containern der Airlines. Innen sind diese jedoch individuell ausgerüstet. Dies ermöglicht einerseits die Teile sicher und kompakt zu transportieren, andererseits bieten auch geschickt platzierte Luken Einsicht auf die Seriennummern der Teile, sodass eine eventuelle Zollbeschau schnell erledigt werden kann.

Ebenso wichtig ist die mobile Basis. Das Auto und die Fahrer werden begleitet von dutzenden Mechanikern, Physiotherapeuten und Strategen. Diese brauchen Verpflegung und Unterkunft und eine ordentliche Werkstatt vor Ort. Da man sich auf niemanden verlassen will, stehen für Events auf Europäischem Boden dafür sieben (7) LKW bereit. Aufwendig umgebaut und perfekt auf die Bedürfnisse des Teams zugeschnitten lassen sich diese auf ihre doppelte Breite ausfahren, sobald sie am Ziel angekommen sind. Innen befinden sich zwei Etagen mit Büros, Materialschränken, Werkstätten und früher gab es sogar mal einen Truck mit eingebauter Dusche, weil eine solche in der Wüste sonst einfach nicht zu finden ist.

Die unglaublichen speziellen und schonungslosen Bedingungen, unter denen Rallyerennen stattfinden, verlangen nach maßgeschneiderten Lösungen. Ein so genannter Renntruck zum Beispiel bot während der Rallye Dakar mobile Unterstützung und begleitete die Autos während der Etappen. Dabei konnten in der Wüste Geschwindigkeiten von 120 km/h erreicht werden, der Truck verfügt über Überrollbügel, Sandbleche und der Fahrer sitzt mit einem 5-Punkt Gurt festgeschnallt in einem Rennsitz. So gut wie nichts ist mehr wie es war, als der LKW einst vom Band rollte und die Jahre haben deutliche Spuren hinterlassen. Und dass der Truck die Rallys überstanden hat, ist fast beeindruckender als die Leistungen des Rennautos selbst.

Für Überseerennen werden bereits Monate im Voraus Material und Vorräte zu den einzelnen Etappenzielen gebracht. Bei Rundkursen bieten umgebaute Seefrachtcontainer einen Komfort fast wie im Hotel. Wir bekamen den Küchencontainer demonstriert. Von außen auf den ersten Blick ein gewöhnlicher 40-Fuß-Highcube-Container. Nur die VW-blaue Lackierung, der firmeneigene Containerprefix (VWMU) und ein paar Steckdosen fallen an der Seitenwand auf. Innen jedoch befindet sich eine voll ausgestattete Küche, ausreichend um eine hungrige Meute wunschlos glücklich zu machen. Der Boden ist doppelt und dient als Stauraum für ein Zelt, dass auf der Länge des Containers 8 m breit aufgebaut wird. Auch hier musste auf jede Kleinigkeit geachtet werden: Die Steckdosen außen sind blind montiert, die Schrauben haben keine Köpfe mehr. Dies war eine Vorgabe vom Zoll, damit niemand die Abdeckungen abschrauben und Drogen in der Zwischenwand verstecken kann.

Immer wieder geben Details an den Fahrzeugen Anlass zu Anekdoten, davon haben die Mitarbeiter nach teilweise über zwanzig Jahren reichlich. Die Natur des Motorsports zwingt sie jederzeit flexibel zu bleiben und unkonventionelle Lösungen zu finden. Mit dieser Lektion verabschieden sie uns. Während wir uns von ganzem Herzen bedanken, erhaschen wir noch die Gelegenheit (und Erlaubnis) für das Gruppenbild.

Thomas Baudach, Klassensprecher der WSL3E

WSL3E VW 550

Foto: Thomas Klein/BBS Burgdorf